Die 1961 in Chile gegründete Colonia Dignidad ist ein düsteres Beispiel dafür, wie sich ein scheinbar harmloses Projekt in einen Ort des Terrors und der Verbrechen verwandeln kann.
Paul Schäfer: Tyrann der Colonia Dignidad
Der Gründer und Anführer von Colonia Dignidad, Paul Schäfer, war eine der berüchtigtsten und umstrittensten Figuren des 20. Jahrhunderts. Sein Leben war geprägt von Manipulation, Missbrauch und Zusammenarbeit mit unterdrückenden Regimen.
Frühes Leben
Paul Schäfer wurde am 4. Dezember 1921 in Troisdorf geboren. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Sanitäter in der Wehrmacht und verlor bei einem Granateneinschlag sein rechtes Auge. Nach dem Krieg arbeitete Schäfer zunächst in einem Kinderheim in Bonn, bevor er sich einer evangelischen Laienbewegung anschloss.
In den 1950er Jahren gründete Schäfer eine eigene evangelikale Gruppe, das Private Soziale Missionswerk (PSM), das sich auf die Arbeit mit Waisenkindern und benachteiligten Jugendlichen konzentrierte. Schäfer erwarb sich schnell den Ruf eines charismatischen und dominanten Führers, der seine Anhänger durch eine Kombination aus religiöser Hingabe und persönlicher Autorität kontrollierte.
Flucht nach Chile und Gründung der Colonia Dignidad
1961 wurde Schäfer in Deutschland wegen Kindesmissbrauchs angeklagt. Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, floh er mit etwa 200 Anhängern nach Chile. Dort gründete er die Colonia Dignidad, eine abgeschottete Gemeinschaft in den Anden, die sich der Selbstversorgung und einem strengen religiösen Leben verschrieb. Schäfer erhob sich zum unangefochtenen Führer der Kolonie und kontrollierte das Leben seiner Anhänger bis ins kleinste Detail.
Die dunkle Kunst der Manipulation – Wie Paul Schäfer seine Mitglieder rekrutierte und an sich band
Paul Schäfer war ein Meister der Manipulation und Kontrolle. Er verstand es, eine große Zahl von Menschen nicht nur für seine Sache zu gewinnen, sondern auch an sich zu binden und loyal zu halten.
Anwerbung
Schäfers Rekrutierungsstrategie zielte darauf ab, Menschen zu erreichen, die sich in einer schwierigen Lebensphase befanden oder besonders verletzlich waren. Er nutzte seine Position als Leiter einer evangelikalen Laienbewegung, um Zugang zu Waisenkindern, benachteiligten Jugendlichen und Familien in Not zu finden. Schäfer präsentierte sich als spiritueller Führer und Vaterfigur, der ihnen Hilfe, Unterstützung und Geborgenheit bot.
Eine weitere Taktik Schäfers bestand darin, religiösen Eifer und die Angst vor der Apokalypse zu nutzen, um potenzielle Mitglieder zu überzeugen, seiner Bewegung beizutreten. Er schürte die Angst vor der moralischen Verwahrlosung der modernen Gesellschaft und dem bevorstehenden Strafgericht Gottes, um sie in seinen Bann zu ziehen.
Bindung
Einmal in seiner Gemeinschaft, wandte Schäfer verschiedene Techniken an, um seine Mitglieder an sich zu binden und ihre Loyalität zu sichern:
Isolation: Schäfer sorgte dafür, dass die Mitglieder der Colonia Dignidad isoliert von der Außenwelt lebten. Er kontrollierte ihre Kommunikation und schirmte sie von Informationen ab, die seinen Führungsanspruch in Frage stellen könnten. So behauptete er beispielsweise, das Papier der Zeitungen sei vergiftet. Familien wurden getrennt und Ehen von Schäfer arrangiert, was die sozialen Bindungen innerhalb der Gemeinschaft schwächte.
Kontrolle: Schäfer errichtete ein strenges Regime, das jeden Aspekt des täglichen Lebens in der Colonia Dignidad regelte. Er kontrollierte die Arbeit, die Freizeit, die Bildung und sogar die medizinische Versorgung seiner Mitglieder, um sicherzustellen, dass sie vollständig von ihm abhängig waren.
Psychologische Manipulation: Schäfer benutzte verschiedene psychologische Techniken, um die Gedanken und Gefühle seiner Mitglieder zu kontrollieren. Er setzte sie öffentlichen Demütigungen und Gruppenzwang aus, um ihr Selbstwertgefühl zu untergraben und sie für seine Botschaft empfänglicher zu machen.
Angst und Gewalt: Schäfer setzte physische Gewalt und Drohungen ein, um seine Mitglieder gefügig zu machen. Er sorgte dafür, dass sie wussten, dass Widerstand und Fluchtversuche ernste Konsequenzen nach sich zogen.
Die Aufdeckung der Verbrechen und Schäfers Flucht
Im Laufe der Jahre häuften sich die Berichte über die Verbrechen in der Colonia Dignidad. 1997 wurde Paul Schäfer wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen angeklagt, konnte jedoch fliehen und war acht Jahre lang auf der Flucht.
In dieser Zeit kam es zu zahlreichen Ermittlungen und Razzien in der Kolonie. Die chilenischen Behörden beschlagnahmten unter anderem Waffen und Sprengstoff, die illegal auf dem Gelände gelagert worden waren. 2005 wurde Schäfer schließlich in Argentinien verhaftet und nach Chile ausgeliefert, wo er wegen zahlreicher Verbrechen, darunter Entführung, sexueller Missbrauch und Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen, angeklagt wurde.
Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurde. Schäfer starb 2010 im Alter von 88 Jahren im Gefängnis.
Vergangenheitsbewältigung und Zukunft der Villa Baviera
Nach Schäfers Verhaftung begann ein langer Prozess der Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung in der Gemeinde. Diejenigen, die in der Colonia Dignidad gelebt hatten, mussten sich mit den Verbrechen und Gräueltaten auseinandersetzen, die sie miterlebt oder an denen sie sogar mitgewirkt hatten. Viele ehemalige Mitglieder verließen die Siedlung und versuchten, sich in der chilenischen Gesellschaft ein neues Leben aufzubauen.
Die verbliebenen Bewohner der Colonia Dignidad, die heute als Villa Baviera bekannt ist, haben sich bemüht, die dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen und die Gemeinschaft zu einem friedlichen und prosperierenden Ort zu entwickeln. Sie haben eine touristische Infrastruktur geschaffen, die Besucher anzieht, und versuchen, das Erbe der Kolonie durch Bildungs- und Aufklärungsprojekte aufzuarbeiten.
Doch die Erinnerung an die Colonia Dignidad lebt weiter, sowohl in Chile als auch international. Die Geschichte dieser abgeschotteten Gemeinschaft und die Verbrechen, die dort begangen wurden, sind ein drastisches Beispiel dafür, wie die Suche nach Utopien in Terror und Schrecken enden kann.
Colonia Dignidad in der Popkultur
Die Geschichte der Colonia Dignidad und ihres Anführers Paul Schäfer hat die Popkultur fasziniert und in verschiedenen Medien aufgegriffen.
Filme
Der Film Colonia von Florian Gallenberger mit Emma Watson und Daniel Brühl in den Hauptrollen ist ein spannender Thriller, der auf den wahren Ereignissen in der Colonia Dignidad basiert. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die in die Kolonie eindringt, um ihren entführten Freund zu retten. Obwohl sich der Film einige künstlerische Freiheiten nimmt, zeigt er die düstere Realität des Lebens in der Kolonie und die Gräueltaten, die unter Schäfers Führung begangen wurden.
Dokumentarfilme
Colonia Dignidad: Es gibt kein Zurück (2019): Der deutsche Dokumentarfilm von Dietmar Schulz untersucht die dunkle Geschichte der Colonia Dignidad und die Rolle von Paul Schäfer. Die Dokumentation enthält Interviews mit ehemaligen Mitgliedern und Opfern. Sie schildern ihre erschütternden Erlebnisse. Zudem analysieren Experten das Phänomen der Kommune. Der Film beleuchtet auch die Schwierigkeiten der Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung in der heutigen Villa Baviera.
Literatur
Das verlassene Haus (2004): Der Roman von Marcelo Figueras ist eine fiktive Geschichte, die auf den wahren Ereignissen um die Colonia Dignidad basiert. Der Roman folgt einem Journalisten, der in die düstere Welt der Kolonie eintaucht und die schrecklichen Geheimnisse aufdeckt, die sie verbirgt.
Es gibt so viele Bücher über diesen Fall. Unter anderem Colonia Dignidad: Von der Psychosekte zum Folterlager und Die Colonia Dignidad zwischen Erinnern und Vergessen.
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Ausgebildet in Grafikdesign hat sich Irina für den Weg der Fantasy-Autorin und Illustratorin entschieden, um ihre Geschichten in Schrift und Bild umzusetzen. In ihrer Freizeit zockt sie Games und suchtet True Crime Podcasts.